Friedrich Noack (1890-1958)

Professor Dr. Friedrich Noack, Musikwissenschaftler, Chorleiter, Dirigent und Komponist, wurde am 10. Juli 1890 in eine Bessunger Künstlerfamilie geboren. Die Noacks waren im frühen 18. Jahrhundert aus der Lausitz nach Südhessen eingewandert. Der erste in Bes­sungen nachweisbare Noack arbeitete eng mit Louis Remy de la Fosse an der Gestaltung des Orangerie-Gartens zusammen. Friedrich Noack besuchte das humanistische Ludwigs-Georgs-Gymnasium in Darmstadt, das er 1908 mit der Reifeprüfung verließ. Einer seiner Mitabiturienten war der spätere Komponist Wilhelm Petersen, mit dem er lebenslang verbunden blieb. Noack studierte nach seinem Militärdienst zunächst ein Semester Rechtswissenschaften an der Universität München, um dann an der Universität Berlin ein umfas­sendes Studium der Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Philosophie zu absolvieren. In Berlin „hörte er bei Hermann Kretzsch­mar, Johannes Wolf und dem Tonpsychologen Carl Stumpf, Komposition studierte er bei Max Schneider, auch die Gesangsausbildung wurde nicht vernachlässigt. Im Frühjahr 1914 promovierte er über ,Christoph Graupners Kirchenmusiken’.“ , so Hermann Kaiser in seiner Ansprache bei der Gedenkfeier der Ortsgruppe des Verbandes Deutscher Tonkünstler und Musiklehrer am 21. Januar 1959 in Darmstadt, Noacks erstem Todestag.

Als der Erste Weltkrieg ausbrach, wurde auch Friedrich Noack eingezogen. Er wurde um 1916 schwer verwundet und verbrachte seinen Genesungsurlaub unter anderem mit der Komposition von Klavierliedern. Die neu veröffentlichten Sechs Lieder von Nikolaus Lenau sind wohl die Frucht dieser ruhigen Wochen, er schrieb sie in St. Pilt in der Schweiz.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Noack wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt; dort erstellte er den noch heute vorhandenen Zettelkatalog mit Einträgen zu etwa 25.000 musikalischen Einzelwerken im Bestand der Bibliothek. In diese Zeit fällt auch der Beginn seiner Beschäftigung mit dem Werk von Wolfgang Carl Briegel (1626 – 1712), dem Vor­gänger Graupners als Hofkapellmeister in Darmstadt. „Briegels sämtliche Kantaten, 600 an der Zahl, hat er spartiert, d.h. aus den Stimmen, die allein erhalten sind, in Partitur gesetzt, und zwar nicht nur aus den Beständen der hiesigen, sondern auch auswärtiger Bib­liotheken, von denen er sich fotographische Aufnahmen auf Mikrofilmen zuschicken ließ. Sieben Foliobände [mit Partituren] und sie­ben Textbände liegen davon heute auf der Landes- und Hochschulbibliothek vor.“, wie Kaiser bewundernd anmerkt. Für die Reihe Denkmäler Deutscher Tonkunst gab Noack die Bände 50 und 51 mit insgesamt 17 Kantaten Christoph Graupners heraus.

Daneben erhielt Noack verschiedene Lehraufträge an hessischen Hochschulen, nachdem er bereits seit 1920 als Privatdozent an der Technischen Hochschule Darmstadt tätig war und sich dort 1926 mit einer Arbeit über „Christoph Graupner als Kirchenkomponist“ habilitiert hatte. Auf die Habilitation folgte die Berufung als außerordentlicher Professor an die Technische Hochschule Darmstadt, daneben war er auch von 1926 bis 1939 Dozent am Konservatorium Mainz, von 1927 bis 1934 Professor für Musik an der Pädagogi­schen Akademie Darmstadt und von 1927 bis 1937 Dozent am Dr. Hoch’schen Konservatorium Frankfurt.

Neben seinen wissenschaftlichen Tätigkeiten war Noack auch als Musiker aktiv. Kaiser nennt Aktivitäten als Musikkritiker, als Liedbegleiter am Klavier, Sänger, Dirigent von etwa 500 Konzerten und als Chorleiter; hier ist insbesondere die „Madrigal-Vereinigung“ zu nennen, nach heutigen Maßstäben ein Kammerchor von sehr guter Qualität, der von Noack im Jahre 1920 gegründet wurde und den er bis 1955 leitete. Dieser Chor trat in ganz Hessen auf, auch in kleinen Dörfern und sogar in der Strafanstalt Butzbach, ein in jenen Jahren vermutlich einmaliger Fall. Für die herausragende Qualität der Madrigal-Vereinigung spricht, dass Noack mit diesem Ensemble auch im Rundfunk auftrat und Schallplatten aufnahm.

Noacks Verbindung von musikalischer Praxis und theoretischer Grundlage wird in der Erinnerung von Dr. Klaus Trapp betont, der in seinem Artikel im Darmstädter Echo zum 100. Geburtstag Noacks am 10.07.1990 schrieb: „Für uns Studenten an der Frankfurter Musikhochschule waren es inhaltsreiche und zugleich fesselnde Lehrstunden, die Friedrich Noack gestaltete. Er hielt ,Vorlesungen’ über Musikgeschichte, ohne ein Wort zu lesen. Denn er hatte seinen Stoff so im Kopf, daß er ihn, durch Anekdoten gewürzt, frei vor­tragen konnte. Er sorgte dafür, daß in einer Zeit, als Schallplattenaufnahmen noch Seltenheitswert besaßen, die musikwissenschaftlichen Seminare durch Live-Darbietungen belebt wurden. Unvergessen sind seine Gesangsauftritte als ,Barbier von Bagdad’ im Rahmen seiner Opern-Seminare. In ähnlicher Weise waren seine Lehrveranstaltungen in Sprecherziehung und Stimmbildung, in Tonsatz Gehörbil­dung von musikalischem Leben erfüllt: Hören und Wissen, Können und Machen gingen bei Friedrich Noack Hand in Hand.“

Als Noack nach 1933 wegen politischer Unzuverlässigkeit aus dem Staatsdienst entfernt wurde, gelang es ihm, durch Vermittlung von Wilhelm Petersen im Jahre 1939 eine Dozentur an der Musikhochschule Mannheim zu erhalten, die er bis 1945 ausfüllte. In Mannheim wurde Noack 1943 ausgebombt, er zog daraufhin wieder ins elterliche Haus in der Darmstädter Innenstadt, wo ihn aber am 11. September 1944 dieses Schicksal erneut ereilte.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bemühte sich Noack in besonderer Weise um den Neuaufbau der Darmstädter „Akade­mie für Tonkunst“ und erhielt 1955 in Anerkennung seiner Leistungen die Goethe-Plakette des Landes Hessen sowie 1956 die bron­zene Verdienstplakette der Stadt Darmstadt. Friedrich Noack starb nach längerer Krankheit am 21. Januar 1958 in Darmstadt.

Noacks musikalischer Nachlass wird heute in der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt aufbewahrt. Sein Werk umfasst neben verschiedenen Bearbeitungen, die er vor allem für seine Ensembles anfertigte, (u.a. Händel: Johannespassion, Carissimi: Jephta) über 100 Lieder (1916–1945), das Bühnenmärchen Christkindlein am Berg, die Weihnachtskantate für Chor, Soli und Instrumente von 1931 (THIASOS Musikverlag 8001) sowie zahlreiche andere Vokalkompositionen (vorwiegend für 3- und 4-stimmigen Frauenchor) und Klavier- und Kammermusik in vielfältigen Besetzungen.
Noack zeigt sich in seinem kompositorischen Schaffen als Exponent eines inzwischen fast vollständig verschwundenen Gelehrten-Typus. Die nun vorliegenden Auswahlbände mit Liedern (THIASOS Musikverlag 8025) und Klaviermusik (THIASOS Musikverlag 8018) machen einen Teil des Schaffens dieses vielfältig begabten Musikers der Öffentlichkeit zugänglich. Die Publikationen holen damit nach, was von Noack zwar gewünscht, aber durch die ungünstigen Zeitläufte zu seinen Lebzeiten verhindert worden ist.
Steffen Meder